- Start
- Küchengeschichten
- Knochenschinken
Wenn man über das "Westfälische-Schinken-machen" berichten will, muss man erzählen, wie früher auf den Höfen in der kalten Jahreszeit geschlachtet wurde. Die Haushalte auf den Höfen waren häufig 10 - 15 Personen groß. Es wurden im Laufe des Winters dafür 4 - 5 Schweine geschlachtet. Ein Schwein war 150 bis 175 kg schwer. Heute wiegen die Mastschweine ca. 100 kg. Der Metzger kam zum Schlachttag auf den Hof. Er schlachtete, zerlegte und schnitt die Schinken zurecht.
Der Metzger drückte aus dem rohen Schinken möglichst viel Fleischsaft heraus. Nun wurden beide Schinken reichlich mit grobem Salz (das früher zentnerweise eingekauft wurde) eingerieben. Wichtig war, dass ausreichend Salz an den Knochen gelangte. Die Schinken konnten nun ins Pökelfass gelegt werden. Das Pökelfass ist ein Fass aus Holz mit Holzdeckel. Oft waren es alte Fässer, die im Sommer, wenn sämtlicher Schinken herausgenommen war, gewässert werden mussten, damit sie wieder dicht wurden.
Die unterste Schicht im Pökelfass war Salz. Darauf legte man den ersten Schinken. Dieser wurde mit Salz bedeckt und der zweite Schinken wurde daraufgelegt und wieder ganz mit Salz bedeckt. Zu den Schinken wurden auch die Speckseiten (fetter und durchwachsener Speck) des ganzen Schweinebauches eingelegt. Mit dem trockenen groben Salz wurde etwas Salpeter vermischt, damit das Fleisch seine rote Farbe behält.
Wenn nach vier Wochen wieder ein Schwein geschlachtet wurde, kamen die frischen Schinken und Bäuche nach unten und die vier Wochen alten Schinken darüber. Einmal in der Woche musste das Pökelfass kontrolliert werden, ob noch Salz auf dem Fleisch liegt. Denn wegen der Feuchtigkeit im Fass, schmilzt das Pökelsalz mit der Zeit. Dann musste grobes Salz aufgefüllt werden, bis das Fleisch wieder ganz bedeckt ist. Tat man das nicht, verdarb das Fleisch. Pökeln war früher eine der wenigen Haltbarmachungsarten, die es gab. Nach drei Wochen Pökelzeit waren die Speckseiten fertig. Sie wurden herausgenommen und das Salz wurde abgewaschen. Die Speckseiten konnten nun gegessen werden. Man hat sie auch trocken weggehangen oder geräuchert. Speckseiten halten sich ein gutes halbes Jahr.
Nach ca. 6 Wochen (bei ganz dicken Schinken von einer Sau auch nach 8 Wochen) wurden die Schinken aus dem Pökelfass herausgenommen und in eine Wanne mit kaltem Wasser gelegt. Hier blieben sie ca. 12 Stunden liegen, damit sich das äußere Salz löst. Nach 12 Stunden wurden sie aus dem Wasser herausgenommen und hingelegt, damit sie etwas abtrocknen konnten. Nun wurden sie mit Pfeffer eingerieben und mit Zwiebelscheiben belegt.
Das Ganze musste zwei Tage einwirken. Der Pfeffer und die Zwiebeln begünstigen die Haltbarkeit und den Geschmack.
Danach wurden die Schinken auf vielen Höfen geräuchert (... aber es geht auch ohne Räuchern ... das sind die sogenannten luftgetrockneten Schinken). Sie wurden in dem speziellen Raum "Räucherei" über Buchensägemehl (keine Sägespäne, die würden brennen, aber es darf nur qualmen) geräuchert. Nach dem Räuchern müssen die Schinken noch einige Monate trocknen. Für das Trocknen blieben sie noch einige Wochen lang in der Räucherei hängen.
Die fertigen trockenen Schinken wurden dann zur Aufbewahrung in einen luftigen und ganz dichten Leinenbeutel gelegt und in der Fleischkammer aufgehängt. Die Fleischkammer befindet sich direkt hinter dem großen Kamin (oder Herdfeuer) im Haus. Meist war es ein fensterloser trockener Raum. Hier hingen die Schinken mindestens ein viertel Jahr bis sie richtig trocken und gut waren.
So ein Bauernhaushalt mit mindestens 10 Personen brauchte im Jahr acht Schinken. Das bedeutete, dass vier Schweine geschlachtet werden mussten.
Im Winter war die Auswahl an Aufschnitt und Fleisch größer als im Sommer. Im Winter gab es neben Schinken noch Würste wie Blutwurst und Leberwurst. Im Sommer - als es noch keinen Kühl- und Gefrierschrank gab - hatte man nur Schinken, Plockwurst (Mett- oder Dauerwurst) und Speck. Schinken kam daher fast täglich auf den Tisch. Auch zur Mittagsmahlzeit gab es Schinken, denn es gab so gut wie kein frisches Fleisch. Meist gab es mittags Eintopf und dazu ein Stück (kalten) Schinken.
Der westfälische Schinken war früher ein Grundnahrungsmittel. Er war besonders wichtig für die Versorgung der körperlich schwer arbeitenden Menschen im ganzen Jahr. Am besten schmeckte den Westfalen ein "schloddrig" Butterbrot. Damit ist ein Schinkenschnittchen gemeint, das aus einer Scheibe frischem Stuten, bestrichen mit guter Butter und reichlich belegt mit einigen Scheiben Knochenschinken, die zu allen Seiten herunterhängen, besteht. Die Schinkenscheiben müssen in Westfalen hauchdünn geschnitten werden. Man soll dadurch eine Zeitung lesen können. Dann ist es richtig. Das geht nur mit einem Schinken, der eine tolle Qualität hat. Er muss rot und trocken sein!
Heute ist der westfälische Knochenschinken sogar als geschützter Begriff in das europäische Register der regionaltypischen Spezialitäten aufgenommen. Die Schutzgemeinschaft Westfälischer Knochenschinken hat sich dafür eingesetzt. Eine EU Kommission hat in einem langjährigen Verfahren geprüft. Erst dann hat die Europäische Kommission den "Westfälischen Knochenschinken" in die Liste der geschützten geografischen Angaben (g. g. A.) aufgenommen. Jetzt darf nur noch Knochenschinken aus der Region Westfalen und angrenzenden Teilen der niedersächsischen Grafschaft Bentheim (historisch bedingt) diesen Namen tragen. Festgelegt ist, dass die gesamte Herstellung, von der Anlieferung des rohen Schinkens mit Knochen beim Herstellungsbetrieb bis zur vollständigen Reifung, im festgelegten, abgegrenzten, geografischen Gebiet erfolgen muss. Weiter ist festgeschrieben, dass Westfälischer Schinken mindestens eine 3-monatige Pökelzeit und 6-monatige Reifezeit zu durchlaufen hat. Der Schinken soll kräftig dunkelrosa bis dunkelrot aussehen und eine gelbe Schwarte tragen. Es gibt ihn als luftgetrockneten oder geräucherten Schinken und er schmeckt mild-würzig.